Jubiläum: 11 Jahre Filzschule – 10 Jahre Grundschule Angermund!

Wollen Sie uns mal über die Schulter gucken?

Den ersten Filzkurs, den man mir angeboten hatte, lehnte ich ab, weil ich falsche Vorstellungen hatte. Ich dachte an die kratzigen Wollstrümpfe meiner Kindheit…

10 Jahre später schleppten mich meine Zwillinge während verregneter Sommerferien dann doch noch hin und diesmal war ich sofort fasziniert von der unglaublichen Sanftheit des Materials und tauschte augenblicklich Pinsel und Leinwand gegen Wolle, Seife und Walkhölzer. Ein paar Ausstellungen habe ich wohl noch gemacht, aber ab sofort arbeitete ich mit Wolle, eröffnete das Atelier in der Parkstrasse und wurde schnell empfohlen. Heute bin ich wie viele hochmotivierte Künstlerkollegen täglich an Düsseldorfer Grundschulen im Einsatz – im gebundenen Ganztag auch schon mal vormittags.

Den Laden in der Parkstrasse habe ich inzwischen aufgegeben. Im Angermunder Atelier oder bei Ihnen zu Hause finden aber nach Vereinbarung immer noch Kurse und Geburtstagsworkshops statt.

Freude und der Wunsch ein Ziel zu erreichen sind das Wichtigste beim Filzen.

Im Laufe dieser 10 Jahre habe ich mit Kindern gearbeitet, die denkbar unterschiedliche Vorraussetzungen mitbrachten. Und ich weiß, dass es vor allem auf eines ankommt: Freude. Wenn ein Kind Feuer fängt und etwas Bestimmtes selbst herstellen möchte – dann sind ihm die Anstrengungen egal. Dann macht es das einfach. Und über Schwierigkeiten helfe ich gerne hinweg.

Ich habe im Extremfall ein behindertes Mädchen mit nur jeweils 3 Fingern unterrichtet, die ihren Klassenkameraden in nichts nachstand und einen sehr liebenswerten kleinen Jungen mit sonderpädagogischen Bedarf, der mit großem Spaß und kreuzbrav bei mir filzte, während er anderswo alle zur Verzweiflung trieb. Aber wie gesagt: Freude ist Voraussetzung, man kann sie nicht erzwingen. Es bringt überhaupt nichts jemandem einen Filzkurs zu verordnen, „damit der mal ruhiger wird…“ 

Das Rad täglich neu erfinden…

Einerseits ist filzen nicht schwierig: bewege nasse Wolle und du erhältst Filz. Andererseits erfordert es schon erhebliche Übung, um mit dem Filz anspruchsvolle Dinge zu formen. 2008 begann ich in Angermund mit zwei Kursen und sammelte erste Erfahrungen. Die Frage lautete aber, was macht man, wenn das hundertste Bällchen gedreht ist und die Kinder immer noch weitermachen möchten? (Einige habe ich auch schon mal für fast die gesamte Grundschulzeit…die wollen Futter! )

Ich suchte Literatur zum Filzen im Rahmen des Kunstunterrichts und fand – fast nichts. Inzwischen habe ich selbst ein Lehrbuch im Toppverlag veröffentlicht (2013) und warte auf eine günstige Gelegenheit, um ein weiteres über die Projekte der letzten 10 Jahre zu veröffentlichen. Meine Galerie gibt darüber bereits heute einen guten Überblick.

Video zum Taschen filzen

Die motorischen Fähigkeiten mögen mit dem Alter zunehmen, aber das ist nicht alles. In einem Jahr habe ich Erstklässler, dass ich mir die Haare raufe, weil jede Erklärung sofort verpufft und die jungen Menschen sich (noch) nicht konzentrieren können und in einem anderen Jahr habe ich plötzlich Kinder im gleichen Alter, die Taschen herstellen wie Erwachsene sie machen würden – enorm anstrengende und langwierige Projekte. 

Filzen – ein Weg der Meditation

Es kommt ein wenig auf die Rahmenbedingungen der Kurse an, aber oft sind vorbeischauende Lehrer überrascht, wie still es bei uns ist – natürlich nicht immer. Wir arbeiten im Atelier wie in den Schulen um einen großen Tisch herum, damit Gespräche möglich sind. Manchmal wünschen sich die Kinder aber auch Hörbücher über die wir uns auch unterhalten. „Momo“ ist gerade im Rennen und Beppo Straßenkehrers Hinweis: Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, sondern nur an den nächsten Schritt! – ist wie gemacht fürs Filzen.

Wenn man sich ganz aufs Filzen einlässt, dann erfährt man eine große Ruhe, den Zustand, den Psychologen als „Flow“ bezeichnen. Dies ist nicht nur ein Zustand, in dem man hochkonzentriert und zugleich tief entspannt ist – es ist meiner Meinung nach auch die Voraussetzung für Kunst. Denn in diesem Zustand entfaltet sich Kreativität.

Wer ernsthaft filzen möchte, der bringt Atem und Hand in einen Fluss. Der ist jeden Augenblick gegenwärtig und achtsam, damit sich keine Fasern verschieben.  Das schöne am Flow ist, dass man nicht mehr merkt, wie die Zeit vergeht. „Oh, Stunde schon vorbei?“ ist dann die Frage und nicht „Wie lange geht es denn noch?“ By the way: eine Filzstunde dauert 90 Minuten. Filzkurse im Atelier doppelt so lang. Und wer das freiwillig macht, der nimmt die Zeit nicht wirklich wahr…

So erstaunt es nicht, dass ich inzwischen auch wieder zu meinen Wurzeln als Malerin zurückgekehrt bin und Kurse im Meditativen Zeichnen anbiete. Es überrascht mich immer wieder, dass die Erklärungen, die ich abgebe beim Zeichnen und beim Filzen oft identisch klingen. Es geht um Druck auf Bleistift oder Wolle, um ruhige kleine Bewegungen, ums sich Zeit lassen und um den Flow.

Kreativität vs. Nützlichkeitsdenken

So wundert es wohl kaum jemanden, der meine Arbeit kennt, dass im Atelier immer wieder Hochbegabte vorbeikamen und blieben. Einige Jahre lang habe ich auch mit dem CCB gemeinsam Kurse angeboten, aber viele Eltern heute bevorzugen für ihre Kinder Angebote, von denen sie annehmen, dass sie „nützlich“ seien. Also reden wir mal darüber, was „nützlich“ ist?

Seine Kreativität zu fördern ist äußerst nützlich, auch wenn man später als Ingenieur eine Firma gründen will. Wer nicht spielen gelernt hat, der wird meiner Meinung nach anderswo keine kreativen Lösungen für Probleme finden.

Weitere wichtige Softskills, die man beim Filzen erwerben kann:

  • Feinmotorik mit allen positiven Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung
  • Durchhaltevermögen und Zielorientierung
  • Selbstregulation: mit mir kann man diskutieren, mit der Wolle nicht!
  • Selbstbewußtsein durch 
  • Erfahrung von Selbstwirksamkeit!!!
  • differenziertes Körperbewußtsein


Regisseur des eigenen Lebensfilmes werden

Ich frage immer wieder nach Filz-Wünschen und stelle regelmäßig fest, dass viele nur das nennen, was sie bereits kennen. So halte ich es für sinnvoll, immer wieder neue Themen mitzubringen. Das ist für mich anstrengend und zeitaufwendig in der Vorbereitung, aber auch schön, denn es wird nie langweilig.

Auch scheinbar nützliche Dinge wie Schuhe oder Taschen können so umgebaut werden, dass es funkt. Wie sieht z.B. eine Monstertasche aus? Oder ein Monstertraumkissen? Monster sind dankbare Wesen!

Wenn ich mich nicht in den Filz verliebt hätte – Mir wäre es egal, mit welchem Material ich als Künstlerin arbeite.

Wichtig ist mir, dass die Kinder sich als Regisseur ihres Lebens begreifen. Dass sie lernen Dinge nochmal anders machen, die zuvor nicht geklappt haben oder die Voraussetzungen zu ändern, die nicht gestimmt haben. Projekte wie die Filzgeschichten oder die Traumlandschaften bringen im besten Fall die Einsicht, dass wir den Dingen ihre Bedeutung (Bewertung) geben und damit bestimmen, wie unser Leben sich anfühlt. Und da wären wir dann wieder bei der Meditation…

Die kreativsten Projekte waren stets die, die scheinbar sinnlos waren, z.B. „Mausburger und Regenwurmpizza“ oder die „Reise zum Filzplanet“. Verrückte Themen, deren Ergebnisse später manchmal in der Ecke landen und Eltern zu der irrigen Annahme verleiten, man hätte besser was „Vernünftiges“ gemacht. Was bleibt, ist der Spaß während der Filzstunden, vielleicht gute Gespräche und das Wissen, dass man nur mithilfe seinen eigenen Händen, Wasser und ein bisschen Wolle ein ganzes Universum erschaffen kann – ist das nichts?